Geschwindigkeit über alles?

Es scheint sich irgendwie in den Köpfen der Leute festgefressen zu haben, dass ein "Computermensch" immer das neueste, schnellste und beste Equipment hat. Nicht selten stehe ich der Aussage gegenüber "aber Du hast sicher eine Mördermaschine in Deinem Büro (oder zu Hause) stehen, oder?". Ich möchte hier mal mit ein paar Vorurteilen aufräumen: Geschwindigkeit und "das Neueste" sind zwar schön, aber bei Weitem nicht alles. Sicher, es bietet schon einen gewissen Komfort, wenn man klickt oder tippt und sofort vom System eine Rückmeldung bekommt (und ich meine nicht die Sanduhr, den Sonnenschirm, oder was auch immer in eurem System der Warte-Indikator ist). Viel wichtiger - und leider auch oft kostenintensiver - ist, dass das Arbeitssystem ausfallsicher und zuverlässig ist. Einige Bekannte benutzen ein Laptop und eine externe Festplatte. Dagegen ist grundsätzlich ja schon mal nichts einzuwenden, aber sie benutzen es auf eine Art, die mir die Haare zu Berge stehen lassen. Die externe Festplatte ist der Datenspeicher. Punkt. Begründung: "Damit bin ich flexibler. Ich muss die Daten nicht erst vom Laptop auf die Platte kopieren, sondern kann sie jederzeit abstecken, mitnehmen, an den Computer meines Kollegen anstecken und der kann sich dann herunterladen, was er gerade braucht." Auf dem Laptop selbst befinden sich meist nur das Betriebssystem, einige Programme und ein riesiger, bis zum Bersten gefüllter Browser-Cache.

Aber wenn Du die Platte mal verlierst? - Die verliere ich doch nicht, bist Du verrückt?
Und wenn Du die sie mal im laufenden Betrieb vom Tisch wischst? - Ich bin eh' vorsichtig.
Und wenn Dein Kollege Deine Festplatte mit einem Virus infiziert? - Die Zeiten sind doch vorbei.
Und wenn sie einfach von heute auf morgen den Geist aufgibt? - Tut sie nicht... oder?

*seufz*

Immer wieder bekomme ich Festplatten zur Reparatur, die einfach von heute auf morgen "den Geist aufgegeben" haben. Manchmal ist es ein korruptes Dateisystem (das lässt sich dann meist auch verhältnismäßig leicht reparieren), manchmal ist aber auch wirklich alles im A****. Diese Platten wurden sowohl extern als auch intern benutzt und teilweise vorbildlich behandelt (wobei externe Festplatten naturgemäß oft einem raueren Wind ausgesetzt sind, als interne). Aber das schützt eben nicht vor Ausfällen. Und eines könnt ihr mir glauben: auch wenn ich es jemandem hundert mal gesagt habe, das Jammern und Wehklagen ist immer riesengroß und die Einsicht kommt natürlich zu spät.

Was mich zurück an den Anfang bringt: Die Rechner in unserem Büro sind auf einem ziemlich aktuellen Stand der Technik, das stimmt. Aber alle Rechner und Server sind ausnahmslos mit RAID-Systemen oder einer äquivalenten Sicherungsmaßnahme ausgestattet, um den akuten Ausfall mindestens einer Platte zu kompensieren. Wo das nicht ohne weiteres möglich ist (z.B. Laptops) kommen externe Medien und Synchroskripts zum Einsatz. Zusätzlich werden täglich, wöchentlich und monatlich unterschiedliche Backups der Systeme, verteilt auf die anderen Systeme und externe Platten erstellt (externe Platten sind Datentransporter, keine Hauptdatenspeicher! Falls doch, dann existiert zumindest eine 1:1-Kopie der Daten auf einem zweiten Speichermedium). Wieso dieser Aufwand? Sollte was passieren (Einbruch, Brand, Verlust,...), zahlt die Versicherung - wenn vorhanden - zwar den materiellen (und in einigen Fällen auch Teile des ideellen) Schaden(s), aber so oder so: die Daten sind futsch. Ob es sich dabei um die Geburtstagsfotos der Mutter handelt, das Video vom Fußballspiel seines Kindes, die gesammelten Geheimrezepte für Omas leckere Kuchen oder um Programmcode, an dem man seit Jahren arbeitet und entwickelt, ist dabei Jacke wie Hose.

Mein Bürokollege kann ein Liedchen davon singen: In den letzten vier Jahren hat seine Systemplatte bereits zweimal den Geist aufgegeben. Aber anstelle eines Komplettabsturzes mit Datenverlust hat er nur einen dezenten Hinweis vom System bekommen: "Ach ja, die Hauptplatte ist gerade ausgefallen. Keine Sorge, die Backupplatte hat bereits übernommen, deswegen hast Du nichts davon gemerkt. Viel Spaß beim Weiterarbeiten und tausch' doch bei Gelegenheit mal die kaputte Platte aus." Okay, das ist nicht wortwörtlich die Meldung, aber seiner Aussage zufolge kommt es bei ihm so an.
03.06.2012 - 23:32

Kommentare

besucher
10.06.2012, 21:57
das ist immer so. deswegen habe ich das auch schon vor jahren gestoppt. aber auch du wirst es irgendwann lernen
KIENI
17.06.2012, 00:30
Kopfschütteln reicht schon. Und ein insgeheimes "wieso sag' ich überhaupt noch was?"